Tel-Ko´s, Absagen und Uni-Bewerbungen: Mein FSJ während Corona

FSJlerin Linnea berichtet

Normalerweise dauert mein Arbeitsweg zum Bundestag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln 45 bis 60 Minuten. Aktuell sind es um die 30 Sekunden, die ich vom Frühstückstisch an meinen Schreibtisch brauche. Wie auch der Rest unseres Büros bin ich seit dem 16. März aufgrund der Corona-Pandemie im Homeoffice. Wir alle versuchen jetzt die Arbeit so gut wie möglich von Zuhause aus zu bewältigen.


In meinem Fall geht das nur bedingt, da ich von zuhause aus nicht auf alle Programme und Dateien der Bundestagsserver zugreifen kann und deshalb ein Teil meiner Aufgaben wegfällt. Eine tägliche Presseschau zum Beispiel gibt es deshalb aktuell nicht. Dafür bin ich gerade viel mit Recherchen, Sharepics für Social Media und der Vorbereitung des nächsten FSJ-P ab September beschäftigt. Falls du dich für ein FSJ in Wiebkes Büro interessierst, erfährst du hier mehr dazu.

Aufgrund von Corona mussten leider auch mein für März geplanter Aufenthalt im Wahlkreis und die
Seminarfahrt mit den anderen FSJler*Innen im April abgesagt werden. Genauso die Besichtigungen von Kanzleramt und Innenministerium mit dem Praktikantenprogramm der SPD-Fraktion. Alles drei Dinge, auf die
ich mich sehr gefreut hatte.

Stattdessen ist von der aktuellen Situation mein FSJ etwas auf den Kopf gestellt worden. Ich zumindest hatte bei meinem Vorstellungsgespräch nicht damit gerechnet ein halbes Jahr später Telefonkonferenzen in Jogginghosen zu führen oder bei sonnigen 22 Grad auf der heimischen Terrasse sitzend Wiebkes Homepage zu aktualisieren. Ein bisschen fühle ich mich derzeit an meine Abizeit vor einem Jahr erinnert. Auch damals war ich ab April zuhause und bei der Vorbereitung auf die Prüfungen auf Selbstdisziplin und mein eigenes Zeitmanagement angewiesen. Denn es ist natürlich schon nochmal anders acht Stunden konzentriert im Büro zu sitzen, als Zuhause am Schreibtisch. Hier lassen sich Arbeits- und Freizeit nicht so explizit trennen und das Ablenkungspotential ist höher, gerade wenn der Rest der Familie auch zuhause ist. Andererseits ist es natürlich auch schön, morgens mit der ganzen Familie frühstücken oder in der Mittagspause mal eben ein paar Dinge erledigen zu können. Und nach und nach findet man auch in einen Rhythmus und den Alltag des Homeoffice. Allerdings habe ich auch das Privileg noch bei meinen Eltern in Berlin zu wohnen. Viele meiner Freund*Innen, die für das FSJ nach Berlin gezogen sind, sitzen aktuell allein in ihrer Berliner Wohnung oder sind kurzfristig in die Heimat gefahren, um von dort aus Homeoffice zu machen, soweit das bei ihrer Einsatzstelle funktioniert. Gerade, wenn man alleine in Berlin ist, kann das ganz schön einsam werden. Deshalb hat sich bei mir und meinen Freund*Innen das Ritual entwickelt, mindestens einmal in der Woche gemeinsam Mittagspause über Skype zu machen. Abgesehen von den sozialen Kontakten ist es auch ganz interessant, zu hören, wie ihre Einsatzstellen mit der aktuellen Situation umgehen. Einige FSJler*Inen wurden vorerst ganz freigestellt, bei anderen häuft sich die Arbeit, weil Veranstaltungen abgesagt oder massenhaft Bürger*Innenanfragen beantwortet werden müssen.


Bei mir gibt es im Homeoffice vielleicht etwas weniger zu tun als normalerweise, was aber auch damit zusammenhängt, dass es in unserem Büro bis zur parlamentarischen Sommerpause sowieso etwas ruhiger gewesen wäre. Und solche Dinge wie Besuchergruppen im Bundestag oder Veranstaltungen, für die Wiebke eine Vorbereitung braucht, fallen aktuell ja weg.

Dafür eröffnen sich aber manchmal andere Möglichkeiten. Ich habe zum Beispiel vor einiger Zeit für
Wiebke einige Recherchen für einen Termin betrieben, der ursprünglich in Bielefeld stattfinden sollte. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde dieser dann aber als Telefonkonferenz abgehalten und ich hatte die Möglichkeit dabei zu sein.

Neben der Bundestagsarbeit ist bei mir natürlich auch das Thema Studium aktuell ein wichtiges. Da die
Bewerbungsfristen teilweise bereits laufen, ging es in den letzten Wochen vor allem darum finale Entscheidungen zu treffen: Welcher Studiengang soll es werden? Welche Uni? Möchte ich in Berlin bleiben oder woanders studieren? Und natürlich Bewerbungen abschicken.

Einerseits war ich zeitlich nicht so eingebunden, zum Beispiel auch durch das Wegfallen des Fahrtweges ins Büro, und die Beantwortung dieser Fragen lief etwas entspannter, was ganz schön war. Andererseits ergeben sich durch die aktuelle Situation ganz andere Schwierigkeiten. Informationstage an den Unis wurden abgesagt und an wen soll man sich eigentlich wenden, wenn man Fragen hat? Mit dem Präsenzbetrieb wurden bei vielen Unis auch Studienberatungen und -sprechstunden eingestellt oder eingeschränkt. Wie suche ich eine Wohnung in einer anderen Stadt, wenn ich nicht zu Besichtigungen fahren kann?

Wie aber eigentlich in allen Bereichen der Gesellschaft werden die Menschen auch hier kreativ. Einige Unis bieten jetzt per Skype Erfahrungsberichte mit ihren Student*Innen an oder organisieren Livestreams, für die man im Vorfeld Fragen stellen kann. WG´s bieten Besichtigungen per Video an und Beratungen finden am Telefon statt. Das ist zwar alles nicht das Gleiche, wie unter normalen Umständen, aber auch hier gilt, das Beste aus der Situation zu machen. Einen Vorteil für Spätentschlossene gibt es immerhin. Wegen der Corona-Pandemie schieben viele Universitäten und Hochschulen den Start des Wintersemesters und damit auch den Bewerbungsschluss nach hinten. Wer sich also kurzfristig entscheiden sollte, angesichts der aktuellen Situation in den Gesundheitssektor einzusteigen, könnte Glück haben und noch einen Platz bekommen.


Unabhängig von dem, was danach kommt, freue ich mich aber auch schon darauf, wenn ich wenigstens für den Rest des FSJ, hoffentlich bald, wieder in den normalen Arbeitsalltag im Bundestag zurückkehren kann. Denn im Büro herrscht nicht nur ein anderes Arbeitsgefühl, sondern es ist auch schön das gewohnte Arbeitsumfeld und natürlich die Kolleginnen und Kollegen wieder zu sehen. Und um ganz ehrlich zu sein: drei Monate am Stück mit der Familie können einen auch ganz schön verrückt machen.