Eine typische Sitzungswoche

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Von der Sommerpause abgesehen, sind meist zwei Wochen im Monat für Sitzungswochen im Bundestag vorgesehen. Dann herrscht für alle Abgeordneten Anwesenheitspflicht in Berlin. Hinzu kommen einzelne Tage, an denen ich in Berlin bin, weil der Parteivorstand der SPD tagt, Klausurtagungen oder Sondersitzungen stattfinden. So bin ich gut die Hälfte des Jahres in der Hauptstadt unterwegs, während ich die übrige Hälfte im Wahlkreis verbringe. Was aber geschieht alles so in einer Sitzungswoche?

Die großen Termine, wie Plenarsitzungen, Ausschusstreffen und weitere Gremienarbeiten, an denen in der Regel alle Abgeordneten teilnehmen, folgen in Sitzungswochen einem festen Ablauf. Drum herum kommen für jede Abgeordnete und jeden Abgeordneten viele spezifische Termine hinzu. An dieser Stelle möchte ich euch deshalb beispielhaft beschreiben, wie sich meine Sitzungswochen in Berlin zusammensetzen. 


MONTAG

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Am ersten Tag der Woche steht für die meisten Abgeordneten zunächst die Anreise auf dem Programm. Mit dem ICE fahre ich vom Bielefelder Hauptbahnhof in knapp drei Stunden in die Hauptstadt. Die Zeit im Zug nutze ich vor allem, um E-Mails abzuarbeiten und um mir schon einmal einen Überblick über die Termine der kommenden Woche zu verschaffen. Um 11:00 Uhr steht dann schon der erste Termin an: Der SPD-Parteivorstand trifft sich im Willy-Brandt-Haus zu einer Sitzung. Es werden vor allem Ideen zum Erneuerungsprozess in der SPD vorgestellt und diskutiert.

In meinem Abgeordnetenbüro bereitet mein Team bereits seit dem Morgen die kommende Sitzungswoche vor: Auf meinem Schreibtisch wartet ein Stapel aus Mappen mit Einladungen, Formularen, Drucksachen, Tagesordnungen, Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern aus dem Wahlkreis sowie vielem mehr auf mich. Mitglied des Bundestages zu sein bedeutet auch, viel Arbeit am Schreibtisch zu erledigen und eine Menge zu lesen. Bevor ich allerdings mit dem Abarbeiten dieses Papierstapels beginnen kann,  bespreche ich mit meinem Büroteam  die kommende Woche. Per Telefon ist ebenfalls das Wahlkreisbüro in Bielefeld mit dabei. Gibt es besonders wichtige Termine im Plenum? Werde ich in dieser Woche eine oder mehrere Reden halten? Müssen noch dringende Vorbereitungen für eine Sitzung getroffen werden? In welchem Raum treffe ich am Mittwoch die Besuchsgruppe aus Bielefeld?

Solche und viele weitere Dinge werden hier geklärt. Im Anschluss daran gibt es oft Anhörungen von Expertinnen und Experten: 

Um Gesetzesvorhaben – zum Beispiel das Jahressteuergesetz – mit Expertinnen und Experten zu diskutieren werden öffentliche Anhörungen durchgeführt. Dafür darf jede Fraktion ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder andere Expertinnen und Experten von Verbänden und Organisationen benennen. Sie beantworten dann die Fragen der Politikerinnen und Politiker in der Anhörung, die meistens montags ab mittags stattfinden. 

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Von 19:00 Uhr bis 21:00 Uhr trifft sich dann die Landesgruppe NRW der SPD-Bundestagsfraktion in der Landesvertretung NRW. Da sich die Schwerpunkte und Anliegen in der SPD-Bundestagsfraktion natürlich auch regional voneinander unterscheiden können, ist die Fraktion in verschiedene Landesgruppen untergliedert. Hier werden die Auswirkungen der Bundespolitik auf die Länder diskutiert, eigene Schwerpunkte gesetzt und der Kontakt zum Land und zu den Kommunen gepflegt. Innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion ist die Landesgruppe NRW mit 41 Abgeordneten die größte Landesgruppe und bildet eine starke Stimme für die Menschen von Aachen über das Ruhrgebiet bis Porta Westfalica.


DIENSTAG

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In Sitzungswochen herrscht ab Dienstag die sogenannte Präsenzpflicht für alle Abgeordneten. Darum muss ich ab jetzt darauf achten, mich stets in die ausliegenden Anwesenheitslisten einzutragen. Wer nicht kommt, oder das Eintragen vergisst, muss eine Strafe zahlen. Mein Tag beginnt um 08:00 Uhr mit einer internen Besprechung der jungen, neuen Abgeordneten. Ab 09:00 Uhr tagt dann die AG Finanzen im Paul-Löbe-Haus (PLH). Etwas später, ab 09:30 Uhr, beginnt die Sitzung der AG Bildung und Forschung in der Dorotheenstraße. Im Rahmen der AG-Treffen kommen alle Abgeordneten der SPD mit ständigem Sitz in dem Ausschuss zusammen. In der zweiten Reihe sitzen zudem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abgeordneten, die sich um die Vor- und Aufbereitung der Ausschussarbeit kümmern. An den Sitzungen der AG Bildung nehmen außerdem Vertreterinnen und Vertreter der Bildungspolitik der Länder und der Juso-Hochschulgruppen teil, während uns in der AG  Finanzen Vertreterinnen und Vertreter aus dem Finanzministerium unterstützen. Es werden Vorbereitungen für die kommende Ausschusssitzung am Mittwoch getroffen und gemeinsame Vorgehensweisen bei bildungspolitischen bzw. finanzpolitischen Themen im Plenum abgesprochen. Da beide Arbeitsgemeinschaften zeitgleich tagen, muss ich während der Sitzungen zwischen den beiden Standorten wechseln und düse meist mit dem Fahrrad von A nach B, um in beiden Sitzungen möglichst viel dabei sein zu können.

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Anschließend geht‘s zum Mittagstisch der Parlamentarischen Linken (PL), deren Leitungskreis ich seit März 2018 angehöre. Die PL ist, neben dem Seeheimer Kreis und dem Netzwerk Berlin, eine der drei politischen Strömungen innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion und mit über 70 Mitgliedern deren größter organisierter Flügel. Hier werden die dringenden und großen Themen der Sitzungswoche vorbesprochen und es wird beraten, welche Themen demnächst auf die Agenda gesetzt werden sollen. 

Am Nachmittag tagt dann bis zum Abend die gesamte SPD-Bundestagsfraktion, meist zeitgleich mit den anderen Fraktionen. In der dreistündigen Sitzung werden, neben organisatorischen Dingen, fraktionsinterne Wahlen durchgeführt und Haltungen der Fraktion zu Anträgen und relevanten Themen in der Sitzungswoche diskutiert und besprochen. 

Am Abend besuche ich einen der zahlreichen parlamentarischen Abende, die zum Beispiel Forschungsorganisationen oder gesellschaftliche Organisationen wie der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) oder die Arbeiter-Wohlfahrt (AWO) organisieren, um über ihre Arbeit zu informieren. 


MITTWOCH

Gemeinsam mit weiteren sozialdemokratischen Abgeordneten aus der AG Bildung und Forschung nehme ich am Mittwochmorgen ab 07:30 Uhr an einem der vielen Frühstücksgespräche teil, diesmal mit dem Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Frühstücksgespräche, die ebenso in der AG Finanzen stattfinden, bieten eine gute Möglichkeit, mit verschiedenen Interessengruppen ins Gespräch zu kommen und konkrete Herausforderungen für die Finanz- oder die Bildungs- und Forschungspolitik in den kommenden Jahren zu besprechen.

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Direkt im Anschluss geht es für mich um 09:00 Uhr mit den Ausschusssitzungen im PLH weiter. Jetzt sind auch die Abgeordneten der anderen Fraktionen dabei. Ähnlich wie bei den Treffen der fraktionsinternen Arbeitsgemeinschaften, stellen die parallelen Tagungszeiten des Bildungs- und des Finanzausschusses eine besondere Herausforderung für mich dar. Ich muss also nicht nur für zwei verschiedene Tagesordnungen gut vorbereitet sein, sondern muss auch während der Sitzung zwischen den beiden Ausschüssen wechseln. Denn die Sitzungen finden selbstverständlich nicht im selben Raum statt, wenn ich Glück habe, aber im gleichen Gebäude. Die Ausschüsse bewältigen einen großen Teil der inhaltlichen Arbeit im Parlament. Hier können sich die jeweiligen Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker sehr intensiv mit ihren jeweiligen Themen auseinandersetzen, bevor über einen Gesetzentwurf im Plenum endgültig abgestimmt wird. Mehr über die Arbeitsweise der Ausschüsse und meine Schwerpunktthemen könnt Ihr hier nachlesen.

Um 13:00 Uhr werden dann beide Ausschusssitzungen beendet und es beginnt das Plenum mit der Befragung der Bundesregierung. Die Tagesordnung der Plenarsitzungen könnt Ihr übrigens hier immer auf dem neuesten Stand ansehen. Verfolgen könnt Ihr die Plenardebatten parallel im Livestream der Bundestags-Mediathek.

Nachmittags finden ‚am Rande Plenum‘, wie es so schön heißt, häufig Termine statt, die die Arbeit in den Ausschüssen begleiten. Dazu gehören zum Beispiel ein überparteilicher Austausch mit dem irischen Bildungsminister, Fachgespräche der SPD-Bildungspolitikerinnen und -politiker zu den besonderen Belangen der Fachhochschulen oder Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Europäischen Kommission, um über euopäische Finanzpolitik zu diskutieren. 

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Abends empfange ich dann noch eine Besuchsgruppe aus Bielefeld, die mich zuvor schon von der BesucherInnentribüne des Plenarsaales aus beobachten konnte. Ich berichte von meiner Arbeit im Parlament und beantworte natürlich alle Fragen, die in der Stunde gestellt werden können. Wollt Ihr auch einmal nach Berlin kommen, um meine Arbeit und den Bundestag kennenzulernen? Dann findet Ihr hier alle wichtigen Infos dazu. Nachdem ich die Gruppe verabschiedet habe, geht es weiter zum letzten Termin des Tages: Um 19:00 Uhr beginnt der Frauenstammtisch der SPD-Fraktion, an dem ich selbstverständlich gerne teilnehme. 


DONNERSTAG

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Das Plenum tagt am Donnerstag durchgängig von 09:00 Uhr bis in die Nacht, in den letzten Monaten endete das Plenum zumeist erst zwischen 01:00 und 02:00 Uhr des Folgetages. Dass der Plenarsaal, trotz Anwesenheitspflicht, häufig eher leer als voll erscheint, ist keineswegs ein Zeichen für Faulheit oder Desinteresse der Abgeordneten. Vielmehr dient der Bundestag vor allem als Sprachrohr für die Fraktionen, die durch Redebeiträge in der Debatte ihre Standpunkte nach außen tragen wollen. Die inhaltliche Arbeit dagegen hat bereits vorher ausführlich in den Ausschüssen stattgefunden. Jede Politikerin und jeder Politiker hat ihre beziehungsweise seine eigenen Themenschwerpunkte und kennt sich dort im besten Fall auch sehr gut aus. Der Bundestag ist also ein arbeitsteiliges Parlament, vergleichbar mit einem Unternehmen, welches aus verschiedenen Fachabteilungen besteht. Dort würden an einer Sitzung einer Unterabteilung wahrscheinlich auch nur die zuständigen Expertinnen und Experten teilnehmen, niemand aus einer anderen Abteilung. Also bin ich vor allem immer dann im Plenum, wenn es um Bildungs- und Forschungspolitik oder um Finanzpolitik geht. Auch von den meisten anderen Fraktionen werden vor allem Politikerinnen und Politiker aus den jeweiligen thematisch passenden Fachausschüssen im Plenum sitzen, um ihre Ausschussarbeit der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Um die Mehrheitsverhältnisse zu sichern, gibt es zudem einen Plenardienst in der SPD-Fraktion, bei dem ich dann auch zu Debatten im Plenum sitze, die sich thematisch keinem meiner Schwerpunkte zuordnen lassen. 

Während das Plenum läuft, habe ich zudem, wie die anderen Abgeordneten auch, viele weitere Aufgaben: Neben den zahlreichen Terminen, arbeite ich mich fachlich in Themen ein, bereite meine Reden vor, schreibe Positionspapiere für die Fraktion, verhandele mit der Koalitionspartnerin Anträge, bespreche mich mit meinem Team und anderen Abgeordneten, telefoniere mit dem Wahlkreisbüro, lese und beantworte Bürgerbriefe, bereite mich auf Termine vor, besuche thematisch relevante Veranstaltungen und so weiter...

Natürlich könnt Ihr mich trotzdem regelmäßig im Plenum sehen: Wenn mein Themenbereich auf der Tagesordnung steht, wenn es um sehr kontroverse und viel beachtete Themen geht sowie dann, wenn Abstimmungen anstehen. 

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Es gibt verschiedene Arten von Abstimmungen: Zum ersten die einfache Abstimmung. Hier heben die Abgeordneten den Arm, das Abstimmungsverhältnis wird vom Bundestagspräsidenten oder von der Präsidentin und von zwei Schriftführerinnen und Schriftführern (je einer aus Opposition und Regierung) geschätzt. Herrscht Uneinigkeit, kommt es zum Hammelsprung. Alle anwesenden Abgeordneten verlassen den Plenarsaal und betreten ihn durch eine von drei Türen. Auf diesen steht "Ja", "Nein" und "Enthaltung". An jeder Tür wird gezählt, wie viele Abgeordnete den Saal durch ihre Tür betreten. Bei Personenwahlen, wie beispielsweise der KanzlerInnenwahl, muss grundsätzlich geheim gewählt werden. Hierfür gibt es Wahlkabinen, wie bei normalen Bundestags-, Landtags-, oder Kommunalwahlen auch. Namentliche Abstimmungen werden vor allem bei sehr umstrittenen Themen durchgeführt. Es muss auch namentlich abgestimmt werden, wenn eine Fraktion oder fünf Prozent der Abgeordneten dies verlangen. Das Abstimmungsverhalten aller Abgeordneten kann im Anschluss hier transparent eingesehen werden. Je nach Abstimmungsart werden in allen Gebäuden des Bundestages verschiedene Klingelzeichen gesendet. Dazu gibt es überall Uhren, die verschiedene Lichtzeichen anzeigen können. So wissen alle Abgeordneten, wenn in Kürze abgestimmt werden soll und um welche Art der Abstimmung es sich handelt. Das ist auch gut so, denn wer eine namentliche Abstimmung verpasst, muss eine Strafe in Höhe von 100 Euro zahlen. Im letzten Jahr (2018) gab es 60 namentliche Abstimmungen.


FREITAG

Um 08:00 Uhr tagt der Leitungskreis der Parlamentarischen Linken, vor allem um schon einmal die Themen für die nächste Sitzungswoche vorzubereiten. Anschließend findet von 09:00 Uhr bis ungefähr 15:00 Uhr noch eine weitere Plenarsitzung statt. Wenn ich terminlich nicht anders eingebunden bin, esse ich mittags zusammen mit meinem Team in der Mitarbeiterkantine im JKH. Neben der Zeit, die ich im Plenum verbringe, stehen vor allem Mails und andere Anliegen am Schreibtisch an. Am Nachmittag geht es dann wieder zurück nach Bielefeld, wo die Vorbereitungen auf die kommende Wahlkreiswoche nicht lange auf sich warten lassen.

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