Pit Clausen: Bezahlbares und gutes Wohnen ist Lebensqualität

Bielefeld wächst. Immer mehr Menschen leben in Bielefeld. In den letzten zehn Jahren wuchs die Bevölkerung um 15.000 Menschen. Das sind mehr als heute in Gadderbaum leben. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Alleine durch die Errichtung der Medizinischen Fakultät werden rund 3.500 Menschen zusätzlich nach Bielefeld kommen. Und auch die Geburtenrate wächst. Sie lag im letzten Jahr mit rund 3.600 Neu-BielefelderInnen um 20 Prozent höher als vor 10 Jahren.  

Das ist eine tolle Entwicklung. Sie zeigt, dass das Leben in Bielefeld attraktiv ist und die Menschen hier an eine gute Zukunft glauben.  

Dafür muss die Stadt Vorkehrungen treffen. Wir müssen beispielsweise die Angebote in den Bereichen der Kinderbetreuung, der Schulen, der Freizeit- und Sportstätten bedarfsgerecht weiterentwickeln, also ausbauen. Und wir müssen dafür sorgen, dass jede(r), der/die hier leben will, hier auch eine bezahlbare Wohnung findet.  

Deshalb brauchen wir in Bielefeld mehr Wohnraumangebote. Dieses Ziel verfolgen wir seit 2016 strategisch und konsequent. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass jede Beeinflussung des Marktes Jahre in Anspruch nimmt. Diese Erfahrung machen wir in Bielefeld auch. Aber wir sind auf dem richtigen Weg. 

In 2016 haben wir die Erarbeitung eines „Perspektivplans Wohnen 2020/2035“ begonnen. Unter Einbindung der lokalen Wohnungsunternehmen und weiterer Experten haben wir eine Wohnraumbedarfsprognose bis 2035 erstellt. Danach wissen wir nicht nur, wie viele Wohneinheiten insgesamt gebraucht werden, sondern auch, welche Größe und welcher Standard nachgefragt werden. 

Parallel klären wir, welche Flächen künftig für Wohnbebauung ausgewiesen werden sollen. Natürlich ist die Nachverdichtung vorrangig. Und selbstverständlich verfolgen wir das Ziel, die Flächen, die die britischen Streitkräfte in den nächsten Monaten leer ziehen, entsprechend zu aktivieren. Aber wir sind sicher, dass wir darüber hinaus weitere Flächen überplanen müssen, und zwar in allen Stadtbezirken.  

Schon in 2015 haben wir die 25 Prozent-Quote eingeführt. Danach sind bei der Ausweisung neuer Bauflächen 25 Prozent der geplanten Wohneinheiten für den geförderten Wohnungsbau vorzusehen.  

Mit Wirkung zum 1. Juni 2019 haben wir es erreicht, dass Bielefeld seitens des zuständigen Landesministeriums in die Mietenstufe 4 eingeordnet wurde. Jetzt ist es endlich wieder auch in Bielefeld rentabel, geförderte Wohneinheiten zu errichten. 

Seit Mitte 2018 haben wir einen Wohnungsbaubeauftragten eingesetzt, der die Vernetzung der Wohnungsbauakteure unterstützt. 

Wir arbeiten daran, die Baugenehmigungsverfahren zu digitalisieren. Dann werden die Verfahren beschleunigt.  

Der Rat hat im Sommer die städtische Wohnungsbaugesellschaft BGW gebeten, die Bautätigkeit zu erhöhen und jährlich mindestens 100 öffentlich geförderte Wohneinheiten zu schaffen. Die BGW bewirtschaftet heute mehr als 12.000 Wohneinheiten in Bielefeld. Es war strategisch richtig, unsere BGW in den letzten Jahren zu stärken. Andere Städte, die ihre Wohnungsgesellschaften verkauft haben, bereuen das heute sehr.  

Und schließlich wollen wir jetzt darauf hinwirken, dass die Preise für Grund und Boden nicht durch die Decke schießen. Hier ist eine Steuerung notwendig. Denn die Preise für Bauland sind in Bielefeld in den letzten zwei Jahren deutlich angestiegen und bewirken eine Verteuerung des Wohnens. Deshalb hat der Rat auf meinen Vorschlag im Juli einen Beschluss zur Bielefelder Baulandstrategie gefasst. Danach wird es in Bielefeld größere Baulandentwicklungen (> 1 ha) nur noch geben, wenn mindestens 50 Prozent der Fläche zuvor an die Stadt bzw. deren Gesellschaft (BBVG) veräußert werden. Der Erwerbspreis wird ausgehend vom bestehenden Bodenrichtwert abzüglich der Kosten der Baulandentwicklung ermittelt. Das bewirkt die gewollte Kostendämpfung. Denn der spätere Verkaufspreis braucht dann den aktuellen Bodenrichtwert nicht zu übersteigen. Außerdem sollen die von der Stadt erworbenen Flächen nicht einfach nach dem Höchstgebot verkauft werden. Es sollen vielmehr auch andere Kriterien berücksichtigt werden. So kann die Stadt von Projekt zu Projekt entscheiden, ob sie vor allem preisgünstigen Wohnraum oder aber Wohnraum für besondere Zielgruppen wie z. B. Studierende, Mehrgenerationenwohnprojekte, Menschen mit Behinderungen, Senioren, junge Familien entwickeln will.  

 

Eine solche moderne Baulandstrategie wird mit Abweichungen im Detail in vielen Städten angewandt, um die Preisentwicklung zu dämpfen. Es gibt sie beispielsweise in Münster, Ulm und München genauso wie in Steinhagen, Werther, Gütersloh oder Herford. Die Beispiele aus anderen Städten zeigen: es funktioniert. Die Preisentwicklung wird gebremst. Die Spekulanten werden gestoppt.  

Aber auch bei diesem Instrument gilt: Die Wirkung wird sich erst nach einer Übergangszeit zeigen. Doch was in Münster gelungen ist, sollte doch wohl auch in Bielefeld gelingen. 

Bedauerlich ist, dass in Bielefeld die moderne Baulandstrategie nicht – wie in anderen Städten - von allen Parteien getragen wird. Es war versucht worden, alle einzubeziehen und es wurden auch Impulse von allen Seiten aufgenommen. Möglicherweise erlaubt aber der bald startende Kommunalwahlkampf nicht mehr allen, eine gute Politik auch zu unterstützen. Schade.     

Wahlkampfüberlegungen dürfen nicht von guter Arbeit abhalten. Es ist das Ziel der Stadt, die jährlichen Fertigstellungszahlen von durchschnittlich 860 Wohneinheiten (2009 bis 2018) auf 1.300 Wohneinheiten zu steigern. Davon sollen 350 Wohneinheiten zu dem öffentlich geförderten Wohnungsbau gehören. Wir haben die Bedarfe erkannt und die richtigen Instrumente vorbereitet. Jetzt geht es an die Umsetzung, damit auch in Zukunft alle in Bielefeld ihr Zuhause finden.      

Pit Clausen, Oberbürgermeister der Stadt Bielefeld