Antrag Bundesparteitag: Investitionspakt 2040! Investitionen anpacken, Wirtschaft und Wohlstand stärken, Finanzierung solidarisch und gerecht gestalten!

Nach unserem gemeinsamen Papier für eine neue Wirtschafts- und Finanzpolitik wollen wir jetzt, dass diese Ideen auch in das Programm der SPD einfließen. Deshalb will ich in meinem Unterbezirk Bielefeld am kommenden Montag den folgenden Antrag beschließen. Zudem lade ich alle anderen Gliederungen der SPD dazu ein, diesen Antrag ebenfalls zu beschließen, um auf dem kommenden Bundesparteitag im Dezember ein starkes Signal zu senden.

Der SPD-Bundesparteitag möge beschließen:

 

Zur Stärkung von notwendigen Zukunftsinvestitionen werden wir in enger Abstimmung mit Ländern und Kommunen einen Investitionspakt 2040 auflegen. Die Investitionen des Bundes wollen wir regelmäßig und verlässlich von derzeit knapp 40 Milliarden Euro auf 60 Milliarden Euro jährlich steigern, so dass in den nächsten 20 Jahren alleine der Bund rund eine Billion Euro investieren wird. Mit diesem langfristig angelegten Programm schaffen wir Planungssicherheit für Bauwirtschaft und öffentliche Verwaltung und investieren gleichzeitig in die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft: In Kindergärten, Schulen und Universitäten, in Schiene, Straßen und Brücken, in bezahlbare Wohnungen und eine moderne Gesundheitsversorgung, in Klimaschutz und gute Internetversorgung, in technischen Fortschritt und innere und soziale Sicherheit.

 

Notwendig ist ein solch groß angelegtes, langfristiges Investitionsprogramm zum einen wegen der zu geringen Investitionstätigkeit in den letzten 20 Jahren. Sie hat dazu geführt, dass der öffentliche Kapitalstock vernachlässigt wurde, statt ihn mit steigenden Anforderungen zu vergrößern. Die Folge ist ein erheblicher Investitionsstau. Durch den sichtbaren Verfall von Gebäuden und Infrastruktur sind die physikalischen Schulden der Bundesrepublik beispielsweise im Bildungsbereich auf 48 Milliarden, bei der Schieneninfrastruktur auf 58 Milliarden und vor allem in den Kommunen auf 138 Milliarden Euro angewachsen. Wir werden deshalb auch eine große Investitionsbaustelle, die Kommunalfinanzen, angehen, indem wir unter anderem die Altschulden der Kommunen verringern und eine strukturelle Verbesserung der Kommunalhaushalte erzielen.

Eine gute und funktionierende Infrastruktur ist auch eine Frage der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen. Wir wollen den nächsten Generationen ein modernes und zukunftsfähiges Land hinterlassen. Wir wollen den Staat aber auch wieder in die Lage versetzen, über Investitionen Entwicklungen anzustoßen, zu gestalten und als Treiber für Innovationen zu agieren. Für große gesellschaftliche Herausforderungen wie die Energiewende, die Digitalisierung, aber auch die demographische Entwicklung brauchen wir einen starken, handlungsfähigen Staat.

 

Deshalb wollen wir in Deutschland einen New Deal! Klar ist: Die öffentliche Infrastruktur ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit Aufgabe der öffentlichen Hand. Privatisierungen oder sog. ÖPP-Projekte scheiden als Lösung aus, weil sie die Hoheit über öffentliche Güter in die Hände Weniger legen, aber auch, weil sie letztlich für die Allgemeinheit teurer sind als eine konventionelle Finanzierung. Aber auch die kostet Geld. Der dazu notwendige Beitrag muss auf die Bürgerinnen und Bürgerinnen nach ihrer Leistungsfähigkeit verteilt werden. Wir werden deshalb zum einen Spitzeneinkommen und große Vermögen, die in den letzten Jahrzehnten massiv entlastet wurden, wieder mehr zur Finanzierung der notwendigen Investitionsmaßnahmen heranziehen, beispielweise über einen angemessenen Steuersatz auf hohe Einkommen, die Reaktivierung der Vermögensteuer und durch eine effektive Besteuerung der 5 Prozent größten Erbschaften. Gleichzeitig wollen wir durch Steuer- und Abgabensenkungen für mittlere und geringe Einkommen die Binnenkonjunktur stärken. Anderseits steht für uns fest: Schwarze Null und Schuldenbremse sind kein finanzpolitisches Programm und kein eigenständiges Ziel. Sie sind vielmehr an vielen Stellen volkswirtschaftlich kontraproduktiv und ein Hemmnis für notwendige Investitionen. Gerade in Zeiten niedriger Zinsen und hohen Modernisierungsdrucks ist es im Sinne soliden, generationengerechten Haushaltens und einer dringend erforderlichen Modernisierung unseres Landes sinnvoll, die Investitionstätigkeit auch über die Möglichkeit der Kreditaufnahme auszuweiten.

 

Begründung:

 

In den letzten Jahrzehnten hatte sich weltweit die Idee durchgesetzt, das freie Spiel der Kräfte in der Wirtschaft, auf den Finanzmärkten, auf dem Arbeitsmarkt oder im Sozialstaat, also die einfache Losung „Privat vor Staat“, sei die Antwort auf die gesellschaftlichen Fragen des 21. Jahrhunderts. Joseph E. Stiglitz, Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger, formuliert es deutlich: Dieses neoliberale Modell ist spektakulär gescheitert. Und damit auch die Idee der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, die Idee eines schwachen Staates, die Idee von Schwarzer Null und Schuldenbremse als Ausdruck dieses neoliberalen Modells.

 

Es ist kein Modell, das den Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten hebt. Das zeigen die steigende soziale Ungleichheit, die gestiegen Einkommens- und vor allem Vermögensungleichheit trotz der wirtschaftlich sehr guten Jahren, die Misere auf dem Wohnungsmarkt oder die immer noch zu hohe Zahl an Kindern, die in Armut leben. Und das zeigt sich auch an der viel zu geringen Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand in den letzten 20 Jahren.

 

Die statistischen Zahlen belegen dies eindrucksvoll: Seit 1992 sind die Nettobauinvestitionen der staatlichen Teilsektoren fast kontinuierlich zurückgegangen. Seit 2002 bis heute sind die Nettobauinvestitionen sogar negativ, d.h. die getätigten Investitionen unterschreiten die Abschreibungen auf öffentliche Güter, oder einfacher gesagt: Die Bundesrepublik verzehrt öffentliches Eigentum statt es auszubauen. Dabei müssen jedoch die einzelnen öffentlichen Teilsektoren differenziert betrachtet werden: Seit 2002 haben Bund und Länder zumindest in einigen Jahren eine positive Nettoinvestitionsquote, größtes Sorgenkind sind die Kommunen, die durchweg und vor allem im Baubereich zu wenig investieren, um ihre Infrastruktur zu erhalten. Daher rührt auch der mit 138 Milliarden Euro sehr hohe kommunale Investitionsstau.

 

Den Investitionsstau, gerade auch im kommunalen Bereich, spüren und sehen die Bürgerinnen und Bürger: Jede siebte Straßenbrücke in der Bundesrepublik wird als mangelhaft eingestuft, der öffentliche Nah- und Fernverkehr ist über seine Kapazitätsgrenzen ausgereizt und zu wenig ausgebaut, Schulen sind marode, Schwimmbäder werden geschlossen, der Bestand öffentlicher Wohnungen schrumpft. Die Menschen haben den Eindruck, dass für Banken, Eurorettung und Geflüchtete Geld da war. Aber der Staat scheint nichts dagegen zu unternehmen, wenn Schulen oder Brücken marodieren, öffentliche Einrichtungen schließen oder Kinder wegziehen müssen, weil vor Ort keine vernünftige Hochschule vorhanden ist. Der Staat und seine Infrastruktur aber müssen sichtbar sein! Und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten müssen auf allen Ebenen dafür sorgen, dass dies so ist. Dabei muss verdeutlicht werden: Ein Investitionspakt 2040 ist nicht nur sozial gerecht, er ist auch volkswirtschaftlich sinnvoll und zwingend geboten, wenn wir in diesem Land Zukunftsfähigkeit, ökologische Sicherung und soziale Gerechtigkeit vereinen wollen. Das Sparen des Staates, aber auch der Privatwirtschaft und der Bürgerinnen und Bürgern ist zu einem bedrohlichen Innovations- und Modernisierungshemmnis geworden. Um nur ein Beispiel zu nennen: Bei Gebäuden spielen auch qualitative Aspekte eine große Rolle. Ein wichtiger Teil öffentlicher Gebäude sind Bildungseinrichtungen. Studien haben eindeutig belegt: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Zustand von Lehrgebäuden und dem Lernerfolg. Deutschland braucht für mehr Chancengleichheit, aber auch für bestmöglich und universell ausgebildete Menschen moderne Lehrgebäude. Wir müssen raus aus der bildungspolitischen Kreidezeit! Gleiches gilt für Investitionen in mehr Umwelt- und Naturschutz. Wir wollen die schwarze Null zu einer Emissions-Null machen. Dazu sind jedoch massive Finanzmittel notwendig, die sich volkswirtschaftlich wie auch für die Umwelt lohnen: Lieber finanzieren wir den Umbau unseres Waldes und eine schnelle Umsetzung von umweltfreundlichen Zukunftstechnologien als die teuren Emissionszertifikate, wenn die Bundesrepublik erneut die Klimaziele verfehlt.

 

Schließlich ist eine Investitionsoffensive in Deutschland auch für Europa gut! Wir müssen weniger „auf Pump“ exportieren und Auslandsvermögen aufbauen, zumal in einer so unsicheren Zeit. Wir müssen mehr Geld zu Hause ausgeben. Das steigert unsere Importe, senkt den Exportüberschuss und schafft Nachfrage in den anderen europäischen Ländern.

 

Heute noch werden Gelder, die für Investitionen bereitstehen, teilweise nicht abgerufen. Dies ist einerseits Ausdruck einer derzeit in ihren Kapazitäten ausgelasteten Wirtschaft, vor allem im Bausektor. Aber vielmehr ist es die Folge der geringen Investitionstätigkeit der letzten Jahrzehnte. Zum einen haben vor allem Kommunen oftmals keine ausreichenden finanziellen Mittel und keine angemessene personelle Ausstattung im Planungsbereich, um neue Bauvorhaben trotz staatlicher Finanzierungshilfen zu stemmen. Zum anderen haben die Bauwirtschaft und die kommunalen Baubehörden in den letzten 20 Jahren wegen einer geringen Auftragslage personelle und technische Kapazitäten zurückgefahren. Wir müssen deshalb das Signal senden: Wir wollen und werden über die nächsten 20 Jahre in die Modernisierung unseres Landes investieren. Es lohnt sich, neue Kapazitäten aufzubauen! Beispielsweise ökologische Verkehrssysteme wie die Schiene. So stärken wir einerseits den prosperierenden Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland, andererseits tragen wir dazu bei, soziale und ökologische Problemlagen zu lösen.

Dabei wollen wir auch kreative und neue Wege zur Überwindung der Kapazitätsengpässe gehen. So wollen wir Ausschreibungen für Bauprojekte in Deutschland auch für Anbieter aus anderen EU-Ländern attraktiver machen. So leisten wir auch einen Beitrag zur Vollendung des europäischen Binnenmarkts und tun etwas für das Wachstum in Europa insgesamt. Auf kommunaler Ebene unterstützen wir die Kooperation von Gebietskörperschaften, um Synergien bei Planungs- und Genehmigungsprozessen zu schaffen. Ein Beispiel dafür sind mobile „task forces“, die flexibel und mit hohem Sachverstand im Auftrag der Kommunen konkrete Projekte vor Ort durchplanen und auf die Straße bringen können.

 

 

Am Ende stellt sich die Gretchenfrage: Wie hältst Du´s mit der Finanzierung?

 

Ein Blick auf die Verteilung der Steuerbelastung verdeutlicht, dass Einkommen- und Unternehmensteuern zwar progressiv ausgestaltet sind, Einkommenstärkere also bei den direkten Steuern mehr zahlen als Empfänger mittlerer und geringer Einkommen. Dies hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten mit der Einkommen- und Unternehmensteuerreform zugunsten Einkommenstarker verändert. Und dies gilt vor allem nicht für die gesamte Steuerbelastung. So werden kleine und mittlere Einkommen durch indirekte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge überproportional stark belastet – erinnert sei an die Umsatzsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent bei gleichzeitiger Absenkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer. Das heißt: Das deutsche Steuersystem ist weit weniger progressiv, als viele es glauben machen, Spitzenverdiener und Vermögende werden zu Lasten von mittleren und unteren Einkommen geschont. Vor allem aber: die Steuerlast verschiebt sich seit Jahrzehnten immer weiter von Reich zu Arm. Die Steuerpolitik der letzten Jahrzehnte hat die gesellschaftlichen Gräben vertieft anstatt sie zuzuschütten. Gleichzeitig wurden solidarische Versicherungsansprüche wie Leistungen für Menschen in Arbeitslosigkeit oder Rentenleistungen privatisiert und/oder verringert. Die gesellschaftliche Folge ist nicht zuletzt eine geringere Wahlbeteiligung der finanziell schwächeren Schichten in Deutschland, die sich offenkundig ausgegrenzt und nicht mehr gut vertreten fühlen.

 

Das müssen wir ändern. Wir brauchen eine investitionsorientierte, stärker progressive Einnahmenpolitik. Zum einen, weil die Einkommens- und Vermögensungleichheit in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen ist und den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gefährdet. Vor allem müssen starke Schultern aber nun endlich wieder einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung der notwendigen Modernisierung unseres Landes beitragen. Dazu werden wir diejenigen Steuern, die eine höhere Beteiligung von Spitzenverdienern, großen Konzernen und Vermögenden gewährleisten, anheben. Dazu gehören unter anderem die Senkung des Einkommensteuersatzes für kleine und mittlere und eine angemessene Erhöhung für große Einkommen, eine effektive Mindestbesteuerung internationaler Konzerne und ein stärkerer Beitrag der 5 Prozent reichsten Erben. Erinnert sei hier an Spitzensteuersätze unter Bundeskanzler Konrad Adenauer von 63,45 % (1955) oder Helmut Kohl von 56 %. Die zusätzlichen Mittel wollen wir neben der Verwendung für Zukunftsinvestitionen auch für die Entlastung unterer und mittlerer Einkommen bei der Einkommensteuer nutzen. Dies stärkt die Binnennachfrage und schafft so neue Arbeitsplätze.

 

Die gerechtere Verteilung und Verbesserung der steuerlichen Einnahmenseite wird jedoch nicht ausreichen, die großen Investitionsschulden abzutragen. Deshalb ist klar: Die Zeiten von Schwarzer Null und Schuldenbremse müssen nun vorbei sein. Sie waren und sind ein Ausdruck tiefen Misstrauens gegenüber der Politik, sie besaßen jedoch von Beginn an keinen positiven Nutzen für die Volkswirtschaft oder die öffentlichen Haushalte. Im Gegenteil: Schwarze Null und Schuldenbremse werden immer mehr zu einem Hemmnis für die notwendigen Investitionen in unserem Land. Wir wollen mit einer solidarischen, generationengerechten und volkswirtschaftlich vernünftigen Wirtschafts- und Finanzpolitik Vertrauen zurückgewinnen.

In einem ersten, kurzfristig umzusetzenden Schritt wollen wir die derzeit 40 Milliarden Euro, die im Bundeshaushalt für Investitionen vorgesehen sind und die wir auf 60 Milliarden erhöhen wollen, in einen Investitionshaushalt einbringen, der sich über die Ausgabe von Staatsanleihen finanziert. Hierbei müssen kurzfristig Finanzierungslösungen gefunden werden, die mit der derzeit noch geltenden Rechtslage (insbesondere Art. 109 GG – die Schuldenbremse) umsetzbar sind. Die Einrichtung von staatlichen Gesellschaften zur Modernisierung und zum Ausbau der Infrastruktur kann hierbei eine wichtige Rolle spielen. Sie sollen das Eigentum an bestimmten staatlichen Vermögensgegenständen (wie Autobahnen oder Gebäuden) verwalten und bilanzieren dürfen und zudem eine Ermächtigung zu staatlich verbürgter Verschuldung erhalten. Durch die Bilanzierbarkeit des öffentlichen Vermögens entsteht keine Netto-Verschuldung im Sinne des Art. 109 GG. Es muss dabei stets sichergestellt sein, dass diese Infrastrukturgesellschaften zu hundert Prozent in öffentlichem Besitz bleiben. Ausgeschlossen wird eine Privatisierung öffentlicher Infrastruktur über public-private-partnerships (PPP).

 

 

Durch die staatlichen Garantien haben die Infrastrukturgesellschaften Zugriff auf dieselben Finanzierungskonditionen wie der Bund. Die 30-jährigen Staatsanleihen des Bundes haben derzeit einen Zins von 0 Prozent. Bei einer jährlichen Inflation von etwa 1,5 Prozent bedeutet das, dass der Staat in 30 Jahren für jeden geliehenen Euro bloß noch einen realen Gegenwert von etwa 66 Cent zurückzahlen muss. Bei diesem Zinssatz könnte der Bund mit einer jährlichen Tilgung von 3,3 Prozent sogar das Risiko einer Anschlussfinanzierung komplett ausschließen – so hoch war vor nicht allzu langer Zeit alleine der Zinssatz, heute sind es Zins und Tilgung. Diese Potentiale nicht zu nutzen, um langfristig zu investieren und eine weltweit exzellente Infrastruktur aufzubauen, ist finanzwirtschaftlich unverantwortlich und eine schwere Belastung für künftige Generationen.

 

Die durch den Investitionshaushalt frei werdenden Finanzmittel im Kernbereich des Bundeshaushalts wollen wir dazu nutzen, eine weitere große Investitionsbaustelle anzugehen: die Kommunalfinanzen. Wie aktuelle Studien mit anschaulichen Zahlen belegen, liegt ein großer Teil des Investitionsstaus bei den Kommunen. Durch hohe Pflichtaufgaben, teils fehlender Konnexität vergangener politischer Entscheidungen und struktureller Defizite waren und sind viele Kommunen gezwungen, an den sog. freiwilligen Leistungen zu sparen. Darunter fallen auch die Ausgaben für Instandhaltungsmaßnahmen und Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, Bildungseinrichtungen oder öffentlichen Wohnungsbau. Wenn wir unser Land modernisieren, sozial gerecht gestalten und zu große regionale Ungleichheiten abbauen wollen, muss die Finanzierung der Kommunen strukturell verbessert werden. Außerdem müssen in einer konzertierten Aktion des Bundes und der Länder die kommunalen Altschulden getilgt werden. Kurzum: Wir wollen mit den frei werdenden Haushaltsmitteln die Altschulden der Kommunen verringern und eine strukturelle Verbesserungen der Kommunalhaushalte erzielen, indem der Bund bisherige kommunale Pflichtaufgaben dauerhaft finanziert. Wir werden den Investitionspakt zusätzlich verbinden mit einer Stärkung guter Löhne über die Stärkung der Tarifbindung: Nur Unternehmen, die nach Tarif bezahlen, erhalten öffentliche Aufträge von Bund, den Ländern oder den Kommunen. Die CDU bzw. CSU-geführten Bundesländer Sachsen und Bayern verweigern ein solches Tariftreuegesetz bis heute.

 

Letztlich ist aber klar: Wir wollen eine Vorgabe der Verfassung nicht dauerhaft mit gesonderten Investitionshaushalten und staatlichen Infrastrukturgesellschaften umgehen. Wenn wir erkannt haben, dass Schwarze Null und Schuldenbremse keinen Nutzen haben, sondern vielmehr Hemmnisse sind, ist es an der Zeit, von diesen Instrumenten Abschied zu nehmen. Das langfristige Ziel ist also eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse im Grundgesetz, so dass staatliche Investitionsausgaben grundsätzlich über Kredite finanziert werden dürfen – so wie es ökonomisch vernünftig und gerecht ist.

 

Wir stellen dabei klar: Schulden sind nicht per se gut, sie sind aber vor allem nicht per se schlecht. Sie müssen so eingesetzt werden, dass sie volkswirtschaftlich sinnvoll sind. Wir orientieren uns dabei an den vielen neueren Erkenntnissen und Empfehlungen deutscher und internationaler Ökonominnen und Ökonomen. Die schwäbische Hausfrau und ihr Spardogma sind selbst für Privathaushalte unzutreffend. Auch ein Privathaushalt tut gut daran, eine langfristige Investition wie z.B. eine Immobilie mit einem Kredit zu finanzieren. Für eine Volkswirtschaft ist der Verzicht auf kreditfinanzierte Investitionen in die Zukunft langfristig verheerend.

 

Die Zeit für den Investitionspakt 2040 könnte günstiger nicht sein. Er muss jetzt unverzüglich auf den Weg gebracht werden. Das gilt nicht nur wegen der aktuell äußerst günstigen Zinskonstellation. Zudem mehren sich die Anzeichen einer drohenden Rezession. Zwar ist der Investitionspakt keineswegs bloß ein Instrument der antizyklischen Konjunkturpolitik, sondern es geht ganz klar um eine langfristig und strukturell ausgerichtete Wachstumspolitik. Trotzdem können die zusätzlich geplanten Investitionen auch kurzfristig einen wichtigen konjunkturellen Impuls setzen – zumal in einem möglichen Abschwung sich die Auslastung der Kapazitäten (auch in der Bauwirtschaft) wieder entspannen dürften.

 

Im Kern geht es beim Investitionspakt 2040 um langfristiges, nachhaltiges und sozial ausgewogenes Wirtschaftswachstum: gute Arbeitsplätze mit guten Löhnen, eine faire Verteilung der steuerlichen Lasten und eine exzellente staatliche Infrastruktur in der gesamten Breite des Landes – für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Unternehmen.